Über die Liebe

Die Liebe ist Eins und sie äußert sich auf vielfältige Weise.

Die Liebe kommt vom Himmel und kehrt zum Himmel zurück. Es gibt nicht zwei, drei oder vier Arten von Liebe, es ist immer die gleiche Liebe, aber auf unterschiedlichen Ebenen verstanden oder gelebt. Wo käme die Liebe der Menschen her, wenn nicht Gott sie ihnen gegeben hätte? Man sagt, Gott sei Liebe, weiß aber nicht, was diese Liebe ist und man trennt die physische, die sinnliche Liebe von der göttlichen Liebe. Nein, es gibt keine Trennung, es gibt nur verschiedene Abstufungen. Es ist die gleiche Kraft, die gleiche Energie, die von sehr hoch oben kommt. Ihr seid euch noch nicht genügend im Klaren über die Bedeutung der unteilbaren, untrennbaren Zahl Eins. Doch genau das ist die Liebe, die Zahl Eins, und es ist diese Zahl, die die anderen Zahlen erzeugt. Zwei, Drei, Vier sind nur Manifestationen der Eins, Abstufungen, Formen der Eins. Gott ist Eins, die Liebe ist Eins und Gott ist Liebe. Alles, was nicht Eins ist, ist nur eine Abwandlung, eine Abstufung der Eins. Deshalb sollte man zur Einheit, zu Gott, zu dieser Liebe, die Eins ist, zurückkehren.

Alles kommt von Gott und alles, was sich durch den Menschen hindurch als Energie äußert, ist ursprünglich eine göttliche Energie. Aber diese Energie hat eine unterschiedliche Wirkung, je nach Leiter, je nach Organ, durch das sie hindurchfließt. Man kann sie mit der Elektrizität vergleichen. Die Elektrizität ist eine Energie, deren Natur man nicht kennt, aber wenn sie durch eine Lampe hindurchfließt, wird sie zu Licht. In einer Heizplatte wird sie zu Wärme. Kommt sie in die Nähe eines Magneten, wird sie zu Magnetismus und in einem Ventilator wird sie zu Bewegung. Genauso gibt es eine ursprüngliche kosmische Kraft, die diese oder jene Gestalt annimmt, je nach den Regionen, in denen sie sich manifestiert. Wenn sie durch das Gehirn fließt, wird sie zu Intelligenz, zu Vernunft. Wenn sie durch den Solarplexus, durch das Hara-Zentrum fließt, wird sie zu Empfindung und Gefühl; wenn sie durch das Muskelsystem fließt, wird sie zu Bewegung und wenn sie schließlich durch die Geschlechtsorgane fließt, wird sie zur Anziehungskraft für das andere Geschlecht. Es ist immer die gleiche Energie, aber sie verwandelt sich entsprechend dem Milieu, das sie durchqueren muss.

Das Bild des Baumes

Die Liebe kann mit einem Baum verglichen werden, der Wurzeln, einen Stamm, Äste, Blätter, Blüten und Früchte hat. Die Sexualität stellt die Wurzeln der Liebe dar. Sie sind tief im Menschen vergraben, man kann sie nicht ausreißen und außerdem sind sie notwendig. Aber man sollte sich nicht ausschließlich mit den Wurzeln beschäftigen, denn die rein sexuelle Liebe ist egoistisch, grausam, unerbittlich. Sie muss einen Stamm, Äste, Blüten und Früchte hervorbringen. Und Blüten und Früchte der Liebe, das ist das Opfer. So sieht die zukünftige Pädagogik für alle Männer und für alle Frauen aus. In der Zukunft beschäftigt man sich nur noch mit diesem Baum der Liebe. Man lernt, wie man ihn pflanzt, ihn gießt, ihn vor Insekten und Unwettern schützt. Man lernt auch, dass man niemals seine Wurzeln abschneiden darf, denn die spirituellste Liebe empfängt ihren Elan von der sexuellen Liebe. Und wenn man die Früchte dieses Baumes der Liebe kostet, wird man verstehen, dass dies die Früchte der Unsterblichkeit und des ewigen Lebens sind.

Nur wenn der Mensch die Einheit seines Wesens wiederfindet, indem er an der Verwirklichung des Reiches Gottes arbeitet, kann er die Problematik der Sexualität lösen.

Die Sexualkraft hält die Menschen auf der Erde zurück, aber ohne sie aufzuklären, ohne sie mit den erhabenen Regionen oben zu verbinden, und das genügt nicht. Die Weisheit hingegen, die manche Eingeweihte erhellt, kann sie den erhabenen Regionen näher bringen, nur haben sie dann nicht mehr die geringste Lust, auf der Erde weiterzuleben. Das ist genauso wenig zu empfehlen. All jene, die diese Kraft, die Gott ihnen gegeben hat, vollständig verdrängen wollten, denken nur daran zu sterben, alles zu verlassen, denn nur die Sexualkraft kann sie wirklich dazu bringen, sich wieder an das Leben zu klammern, das Leben zu lieben. Wenn diese Kraft in euch fließt, aber ohne dass ihr Überschwemmungen und Verwüstungen zulasst, wenn ihr damit nur all die göttlichen Blumen oben im göttlichen Garten gießt, wird das Leben für euch so wunderbar, dass ihr es nicht mehr aufgeben wollt. Unterdrückt ihr jedoch diese Kraft, verliert das Leben seinen Sinn und ihr wollt sterben. Die Sexualkraft, die Liebe sind eng mit dem Leben verbunden. Um also die Schönheit des Lebens wirklich zu fühlen, muss man die Sexualkraft harmonisch fließen lassen. Man darf diese Kraft niemals unterdrücken. Mystiker, Ordensleute, Einsiedler und Asketen, die sie unterdrückt haben, begingen den größten Fehler. Was sie selbstverständlich rechtfertigt, ist die Tatsache, dass sie sich das Nirwana herbeiwünschen, aber sie wünschen es sich so lasch, so schwach, dass man sich fragt, wann es ihnen gelingen wird. Denn wenn man sich das Nirwana wünscht, hat dennoch die Liebe ein Wörtchen mitzureden. Wer wirklich erleuchtet ist, verbindet sich deshalb mit dem Himmel, mit dem Schöpfer, während er gleichzeitig mit dieser Kraft sparsam umgeht, um sie dem Reich Gottes zu weihen. Er hat also beides: Je intensiver er das Leben lebt, desto mehr verschmilzt er mit dem Schöpfer, mit dem Himmel; und je mehr er eins mit dem Himmel ist, desto mehr wird er für die Erde arbeiten. Also, nur diese Lösung ist wirklich vollkommen: Ihr lebt für den Himmel während ihr gleichzeitig für die Erde arbeitet.

Der Sinn der spirituellen Arbeit der Reinigung liegt darin, der Liebe wieder ihren göttlichen Charakter zu schenken.

Die Liebe ist ein großartiger Antrieb, aber es mischen sich zu viele leidenschaftliche, instinktive Elemente hinein, von denen man sie befreien muss, damit ihre wahre, wesentliche Natur erblühen kann. Jede Liebe enthält etwas Göttliches, aber man muss sie reinigen, weil sie immer von unsauberen Elementen umhüllt ist, so wie jedes kleine Tier bei der Geburt: ein Kälbchen, eine kleine Ziege…! Wenn sie zur Welt kommen, sind sie nicht sehr sauber, ihre Mutter säubert sie. Auch bei einem Baby ist das so. Und für die Liebe gilt das Gleiche. Die Liebe ist ein Kind, das alles Göttliche mitbringt. Denn in jeglicher Form der Liebe ist Gott enthalten. Nur muss man sie säubern, reinigen, erziehen, sie stark machen und befreien, um die Gottheit zu entdecken. Selbst die egoistischste, niederste, sinnlichste Liebe enthält eine göttliche Quintessenz. Dahinter ist immer Gott, aber sie hat auf ihrem Weg zu viele verschiedenartige Elemente aufgenommen. Sie muss bestimmte Orte durchqueren und diese Orte sind nicht sehr sauber. Das sind Schornsteine und schmutzige Wege. Selbst die besten Dinge, die vom Himmel kommen, müssen diese Schichten durchqueren, die wir angehäuft haben, wie niedere Gedanken und Begierden und alle Arten irreführender Hirngespinste. Deshalb sind sie momentan in Schmutz eingehüllt, aber es handelt sich um Edelsteine, die man säubern muss.

Der Mensch sollte auf die Qualität dessen achten, was er durch seine Liebe ausströmt.

In Wirklichkeit ist der Liebesakt an sich nicht schlecht oder ein Vergehen. Wenn dem so wäre, warum zeigt die Natur dann bei allen Gattungen seit der Erschaffung der Welt nichts anderes? Wenn der Akt selbst verwerflich wäre, warum lässt ihn die Natur zu, warum hat der Himmel nicht längst alle ausgerottet, die ihn ausführen? Der Akt an sich ist weder gut noch schlecht. Nur die Absicht, die man dabei hat, macht ihn verbrecherisch oder heilig. Wenn der Mensch nicht an sich gearbeitet hat, um sich zu adeln und sich zu reinigen, wenn er egoistische oder unehrliche Absichten hat, so wird die Natur ihn verurteilen, auch wenn er diesen Akt nur in der Ehe vollzieht und er vielleicht von allen beklatscht und es gut geheißen wird, seine Familie ihm ein Festessen bereitet, das Standesamt die Ehe für rechtmäßig erklärt und die Kirche ihm den Segen dazu gibt. Denn was wird er seiner Frau übertragen? Krankheiten, Laster, schädliche Einflüsse, das ist alles! Aber selbst wenn die ganze Welt diesen Akt gutheißt, werden sich die Gesetze der lebendigen Natur gegen ihn aussprechen. Er hat seine Frau beschmutzt, er hat ihr Krankheiten übertragen. Und umgekehrt tadeln euch vielleicht alle, dass ihr nicht verheiratet seid, aber wenn ihr in die Seele der Frau, die ihr liebt, den Himmel hineingelegt habt und sie durch euch zu einer Gottheit geworden ist, dann wird der Himmel entzückt sein.

Selbst wenn man sich mit einigen Zärtlichkeiten und einigen Küssen zufrieden gibt unter dem Vorwand, man wolle rein bleiben – wenn man kein hohes Ideal hat, begibt man sich in die Unreinheit. Die Auswirkungen sind die gleichen, wie wenn man mit einem Mann oder Frau geschlafen hätte. Denn man hat nur das Bedürfnis sich zu befriedigen und jeder Kontakt, jeder Austausch, der kein spirituelles, göttliches Ziel hat, hat die gleichen Auswirkungen. Aber wenn ihr den Wunsch habt zu helfen, zu heilen, den Menschen, den ihr liebt zu retten, dann reinigt dieses Gefühl euch und ihn.

Die Liebe bedeutet unter bestimmten Bedingungen Glück:

1. Von Grund auf lernen, sich selbst zu lieben.

Jeder liebt sich selbst. Ja, aber wie? – Heißt das wirklich sich selbst lieben, wenn man wahllos isst, trinkt, raucht und Dummheiten macht? Man liebt sich auf schlechte Weise und man sollte lernen, sich auf richtige Weise zu lieben. Nehmt an, ihr wollt nichts Unreines in euch einlassen. Unter dieser Voraussetzung liebt ihr euch wirklich, denn durch eure Reinheit bereitet ihr die großartigsten Bedingungen vor, damit die Engel sich in euch niederlassen. Wenn ihr darauf achtet, mit euren Gedanken, euren Gefühlen und euren Worten nichts Böses zu tun, bereitet ihr innerlich schon dafür die Bedingungen vor, dass sich der Herr in euch niederlässt. Diese Liebe sich selbst gegenüber ist etwas Göttliches. Auf diese Weise sollte man sich lieben, weil damit alles im Inneren vollständig erhalten bleibt. Es ist normal, sich selbst zu lieben, die Natur selbst hat uns beigebracht, uns zu lieben. Sie hat ihren Kindern die Liebe zu sich selbst geschenkt. Nur muss man sie lehren, wie man sich liebt, indem man Ordnung und Harmonie respektiert, indem man sich seiner Würde und seiner Göttlichkeit bewusst ist.

2. Die Liebe zum Herrn über alles andere stellen, denn man bringt dem anderen jene Liebe entgegen, die man von Ihm empfangen hat.

Ich habe nie gesagt, man dürfe keinen Mann oder keine Frau lieben, sondern nur, dass man wissen muss, wie man dabei vorgehen sollte. Wenn ihr dem Herrn in eurem Herzen einen Platz gegeben habt und dann irgendwo auch noch ein bisschen Platz auf der physischen Ebene bleibt, dann könnt ihr euch mit einem anderen Menschen verbinden, um zu fühlen, dass eure Einsamkeit vorbei ist. Wie handelt der Schüler? Zuallererst beginnt er, das höchste aller Wesen zu lieben und zu schätzen, das Wesen, das alles verteilt. Er erfüllt seine Seele mit der Herrlichkeit aller Herrlichkeiten, dem Licht aller Lichter und erst dann erwählt er seinen Partner.

Der wahre Schüler räumt dem Herrn als Quelle der Liebe, der Weisheit und der Wahrheit den ersten Platz ein. Dann sucht er das Geschöpf, das am besten diese Verbindung zu Ihm aufrechterhalten kann. Er hält sich in seiner Nähe auf, betrachtet es als Mitarbeiter auf der physischen Ebene, weil es etwas in ihm gibt, das ihn der Quelle näher bringt. Es ist ein Bote, der ihm von der göttlichen Welt erzählt.

3. Sich bewusst machen, dass man sogar durch einen Mann oder eine Frau in Wirklichkeit Gott liebt.

Was suchen die Verliebten bei der Frau oder dem Mann, die sie lieben? Ist es das Gesicht, die Brüste, die Beine, die Arme, die Augen, was sie lieben? Nein, denn diese sind ganz einfach nur Ausdrucksmittel der Liebe. Was sie suchen, ist die Liebe selbst. Es kommt übrigens auch vor, dass man aufhört, eine bestimmte Person zu lieben. Sie hat immer noch die gleichen Arme, Beine und Brüste wie zuvor und dennoch sucht man die Liebe bei einer anderen. Das beweist also, dass man nicht den physischen Körper sucht, sondern durch ihn hindurch die Liebe, das heißt Fülle, Glück, Freude und Bewusstseinserweiterung.

Und nehmt jetzt an, ihr hättet die Liebe gefunden, ohne in eine bestimmte Person verliebt zu sein: Sie ist da, überall im ganzen Universum, ihr trinkt sie, ihr atmet sie ein, ihr seid überglücklich. In dem Moment, in dem ihr sie gefunden habt, braucht ihr weder Beine noch Arme noch Brüste, ihr habt sie als Quintessenz gefunden, als Leben, das überall verteilt ist. Ununterbrochen seid ihr verbunden mit ihr und nie fühlt ihr euch müde. Bis zu diesem Grad des Verstehens solltet ihr kommen… Ihr glaubt mir nicht? Ihr sagt: »Das ist unmöglich! Unmöglich!« Doch, es ist nur eine Frage des Grades. Es muss einem gelingen, sich so weit zu erheben, bis man versteht, dass die wahre Liebe die universelle Liebe ist, die überall im Überfluss verteilt ist, eine Liebe, die man ohne Unterlass trinken und einatmen kann. Denn in ihrem höchsten Grad ist die Liebe eine sehr feinstoffliche Quintessenz, die nichts anderes als Gott selbst ist.

4. Entdecken, dass das geliebte Wesen ein Ausdruck der Gottheit ist.

Wenn zwei Verliebte wahrer Liebe Ausdruck verleihen wollen und wahre Glückseligkeit und Befreiung kennen lernen wollen, müssen sie sich immer als Stellvertreter des Himmlischen Vaters und der Göttlichen Mutter betrachten. Sonst wird der Junge, wenn er seine Liebste umarmt, auch ihre Schwächen und ihre Begrenzungen umarmen, er wird nie etwas Höheres, Größeres, Reineres als sie erreichen und ihre Liebe wird ein Ende haben. Es ist also eine andere Auffassung nötig. Der Junge sollte seine Liebste als Stellvertreterin der Göttlichen Mutter betrachten und sie ihren Liebsten als Stellvertreter des Himmlischen Vaters, von Christus. Durch diese Betrachtungsweise verbinden sie sich bereits mit etwas Höherem und jeder von ihnen wird mehr sein als der Liebste oder die Liebste, und in seiner Seele, in seinem Herzen und in seinen Armen etwas von der Unermesslichkeit halten. Und aus dieser Unermesslichkeit fließen Strahlen und Ströme feinstofflicher Natur. Und die Engel, die Devas und die lichtvollen Geister der Natur bringen ihre Kräfte und ihre Freude diesen beiden Wesen, die gerade dabei sind, der allerschönsten Sprache der Schöpfung, der Sprache der Liebe, der unbegrenzten Liebe, Ausdruck zu verleihen.

5. Sich an die Seele und den Geist des Menschen binden, den man liebt.

Beschäftigen wir uns nur einmal mit der Art und Weise, wie die Verliebten gewöhnlich vorgehen, um ihren Partner zu gewinnen. Ob es sich nun um einen Mann oder eine Frau handelt, man muss ihn für sich einnehmen, ihm Komplimente machen, seiner Eitelkeit schmeicheln, kurz, seine Personalität berühren, sonst erreicht man nichts. Und alle beide wissen, wie man es anstellt: Durch Gesten, Worte, Geschenke, immer wendet sich jeder an die Personalität des anderen, ohne zu wissen, dass es in diesem Menschen eine höhere Natur gibt, die Individualität, die das Bedürfnis hat, erweckt, genährt und gestärkt zu werden. Deshalb drückt sich die menschliche Liebe nur auf eine tierische, instinktive, leidenschaftliche Art aus. Es ist sehr selten, dass man darin ein poetisches, wundervolles, göttliches Element findet.

Die Einweihungswissenschaft muss jetzt den Menschen zeigen, dass sie in den Menschen, die sie lieben, vergessen haben, die höhere Natur zu nähren; dass sie sie verkümmern und verhungern lassen.

Aber stellt euch zwei Menschen vor, die sich lieben und die dieser Lehre ganz tief verbunden sind, die Tag und Nacht in dieses Licht eingetaucht sind. Sie leben ihre Liebe auf einer höheren Ebene. Jeder denkt an den anderen und fragt sich ständig, wie er ihn unterstützen, ihn erhellen und stärken soll, wie er sich mit seiner Zukunft befassen soll. Das ist eine höhere Stufe von Liebe.

Die Liebe muss nicht immer nur ein Austausch auf der rein physischen und sinnlichen Ebene sein, denn das, was Seele und Geist suchen, findet sich nicht in der Hülle, im Körper. Wenn man sich durch den Menschen, den man liebt, ausschließlich mit dem Körper verbindet, wird man die wesentliche, die feinstoffliche, göttliche Seite nicht wahrnehmen, sondern nur ein paar kleine Gefühle, ein paar kleine Empfindungen, die sich danach in Gift, in Bedauern, in Diskussionen, in Eifersucht und in Hass verwandeln. In der Liebe darf der Körper nur als Mittel dienen und nicht als Ziel. Alle, die den physischen Körper als Ziel betrachten, bleiben ihr ganzes Leben lang unzufrieden oder vergiftet. Sie freuen sich nicht mehr, lieben sich nicht mehr, sehen nicht mehr die guten Seiten ihres Mannes oder ihrer Frau, sondern nur die Fehler. Sie kritisieren sich, streiten, bereuen es sogar, geheiratet zu haben. Dass man es so weit hat kommen lassen, ist nicht gerade besonders rühmlich!

Die Liebe, von der ich spreche, dauert ewig. Selbst wenn die Eheleute alt sind, entdecken sie sich jeden Tag neu, erfreuen sich aneinander und finden sich wunderbar. Sie liebten nicht »die Flasche«, den Körper, sondern deren Inhalt, das spirituelle Prinzip, die Liebe, die aus der einzigen und unerschöpflichen Quelle kommt.

6. Über die Liebe, die man für jemanden empfindet, sollte man Stillschweigen bewahren.

Wenn ihr jemanden liebt, so sagt es ihm nicht. Die Liebe fühlt man, sieht man und es ist nicht notwendig, darüber zu sprechen. Sie ist, genau wie der Hass, äußerst schwierig zu verstecken. Die Liebe äußert sich durch den Blick, durch Gesten, durch das Verhalten. Die Menschen legen zu großen Wert darauf, ihrer Liebe mündlich oder schriftlich Ausdruck zu verleihen, ihr Verhalten jedoch beweist oft das Gegenteil!

Wenn man Liebe zum Ausdruck bringt, ohne darüber zu sprechen, so schafft sie in der Seele die besten Voraussetzungen, die größte Freiheit, das größte Entzücken. Man sollte die Liebe als etwas sehr Kostbares bewahren, als das Kostbarste überhaupt. Man darf sie nicht mit Worten ausdrücken. Wenn ihr darüber sprecht, gibt es bald beiderseits Reaktionen, die Unverständnis und Missverständnisse schaffen und das wäre schade. Sprecht ihr hingegen nicht über eure Liebe, kann sie ewig dauern.

Männer und Frauen beteuern gewöhnlich ihre Liebe, ohne zu wissen, dass man ihr dadurch ein eigennütziges, egoistisches Element hinzufügt. Sie wollen die Person, an die sie sich wenden, anziehen, ihr schmeicheln, sie für sich gewinnen. Sie schreiben ihr oder sprechen mit ihr so poetisch wie möglich, wählen die entsprechenden Gesten, Worte und den Tonfall und die bezauberte, berührte und sehr erfreute Person kapituliert. Aber meistens merkt sie am Ende, dass diese Liebe nicht die wahre Liebe war und dass sie nicht dem entspricht, was sie sich erwartete.

Die Liebe, die man zum Ausdruck bringt, hat zum Ziel, die geliebte Person zu gewinnen und gleichzeitig zu verhindern, dass ein anderer sie sich zu Eigen macht. Das heißt, es geht nur um Angst, Egoismus und Mangel an Glauben an die Macht der Liebe, die den Menschen führt. Da man nicht die wahre Liebe besitzt, die Wunderbares bewirkt, beeilt man sich, sie durch begrenzte und unehrliche Mittel zu äußern, durch das Wort, die Schrift, die Gesten usw., um den Menschen, den man liebt, gefangen zu nehmen. Und wenn man behauptet, es seien die Kraft und die Schönheit des Gefühls, die einem zu diesem Vorgehen treiben, so unterstreicht man noch die eigene Schwäche, Leidenschaft und Sinnlichkeit. Ein wahrer Meister drückt seine Liebe nicht aus: Seine Liebe fühlt man, sie strahlt.

7. Das rechte Maß für die Liebe finden.

Man sollte das rechte Maß kennen, sogar das Maß der Güte, denn wenn man seine Liebe, seine Güte, seine Wärme übertreibt, so kommen auch in dieser Beziehung Unannehmlichkeiten auf einen zu. Man ist weder boshaft noch kriminell, aber man wird trotzdem bestraft. Ich werde euch ein Beispiel geben. Ich empfing einmal bei mir eine Schwester, die mir sagte: »Lieber Meister, ich bin so unglücklich! Ich weine Tag und Nacht!« – »Aber warum denn?« – »Nun, ich habe meinen Mann unendlich geliebt, ich habe alles für ihn getan, ich habe ihn mit so viel Zuneigung und Wärme umgeben – und nun hat er mich verlassen. Er ist mit einer meiner Freundinnen auf und davon.« – »Aha, und wie ist diese Freundin?« – »O, sie ist hart, kalt, eisig!« – »Genau darin liegt das Unglück, Sie waren zu warm und er ist sich abkühlen gegangen.« Sicher fragt man sich nun: »Und wie steht es mit der Güte?« Leider kann euch einfältige Güte in die schlimmsten Situationen bringen. Selbst den wunderbarsten Menschen fallen Dachziegel auf den Kopf, wenn sie das Maß nicht kennen, und dann beklagen sie sich. Das ist keine Strafe, nein, aber durch ihre Unwissenheit lösen sie ein Gesetz aus und erhalten dann ein paar Schläge.

8. Das Geheimnis der Distanz.

Stellen wir uns einen jungen Mann vor und ein Mädchen, die sich begegnet sind. Sie haben eine außergewöhnlich reine, ideale Liebe zueinander. Sie schreiben sich, sie treffen sich und die kleinen Geschenke, die sie sich geben, die kleinen Haarlocken, jede kleine Blume oder jedes Rosenblatt sind für sie wie Talismane, erfüllt von einem Ozean von Düften und sie fühlen sich glücklich, stimuliert, inspiriert. Er ist der Ritter und sie Dornröschen. Sie leben in der Poesie, gehen spazieren, schauen sich an, alles wird schön. Aber an dem Tag, an dem sie beginnen, ein bisschen weiterzugehen, verschwindet die ästhetische Seite und die prosaische, biologische, instinktive Seite tritt an ihre Stelle. Jeder weiß das. Ihr werdet sagen: »O ja, aber was erzählen sie uns da? Man kann doch nicht so lange beim ästhetischen, feinstofflichen Austausch bleiben.« Das sagt ihr, ich denke, dass derjenige, der in dem ästhetischen, poetischen Bereich bleiben möchte, sich darauf vorbereitet, Künstler, Genie, Poet, Musiker zu werden. Wenn ihr hinabsteigen wollt, gut, macht das, aber ihr verlasst damit den Bereich der wahren Schönheit und eure Freude wird weniger werden. Sobald ihr diesen Bereich der Ästhetik verlasst, ist alles verdorben, weniger schön, weniger rein. Deshalb sage ich euch: »Bewahrt ein bisschen Distanz in der Liebe, denn genau diese Distanz macht euch überglücklich, inspiriert euch.« Dank ihrer liebt ihr ewig weiter, ohne Unterbrechung, ohne Schäden, ohne Bedauern, ohne Gewissensbisse.

Lieben ist ein Segen, deshalb bewahrt eure Liebe so lang wie möglich, denn an dem Tag, an dem ihr sie gänzlich auskosten wollt, schlagt ihr eine andere Seite auf, auf der Umwälzungen und Katastrophen niedergeschrieben sind. Die Liebe ist Gott selbst, sie bringt euch alles: das Leben und die Reichtümer. Warum habt ihr es derartig eilig, sie zu verschwenden, sie irgendwo auszuleben, anstatt das ewige, das göttliche Leben zu leben?

9. Die Sexualkraft angstfrei nutzen lernen.

Viele haben Angst vor der Sexualkraft, aber gerade sie ist es, die alle Zellen ernährt. Sie stellt eine Energie dar, aus der man wohl überlegt schöpfen sollte, denn sie ist ein Saft im Rohzustand, der sich in den Zellen umwandelt und den der Geist im ganzen Organismus verteilt in Form von Vitalität auf der physischen Ebene, in Form von Liebe und Freude im Herzen, in Form von Licht und Weisheit im Gehirn. Die Sexualkraft ist ein gewaltiger Fluss, aber die Weisen errichten überall Mühlen, um diese Kraft umzulenken. Sie lassen sich nicht von ihr quälen oder dazu treiben, Tragödien zu verursachen. Sie lassen nicht zu, dass sie Dörfer und Städte in ihnen überschwemmt oder verwüstet, sondern sie errichten Fabriken und Bewässerungskanäle und ernten die Früchte, die diese weise verteilte Kraft hervorbringt. Je vernünftiger man sich bei der Benutzung der Sexualkraft verhält, desto mehr spirituelle Reichtümer erwirbt man. Die bemeisterte Sexualkraft ist genauso wie das Wasser eines großen Flusses, das man kanalisiert, um Land zu bewässern.

Je weiser man aus der Sexualkraft schöpft, desto besser versteht man das Reich Gottes, die Engel, die Erzengel und alles Schöne im Leben. Alle Eingeweihten sind sich in diesem Punkt einig und sagen sogar, dass, wenn die Menschen diese Kraft verschwenden, sie nicht beherrschen, damit die Larven der Astralwelt genährt werden. Die Menschen selbst stärken also die niederen Wesenheiten, die anschließend ununterbrochen um sie herum kreisen, um ihnen zu schaden, sie zu schwächen und auszusaugen, aber sie sind die Letzten, die begreifen, dass sie selbst, auf ihre Kosten, ihre Feinde ernähren und stärken.

Mit Hilfe dieser Regeln lernen wir das Phänomen Sublimierung verstehen.

Nichts, weder im Himmel noch auf der Erde, kann euch verbieten zu lieben. Liebe ist Leben. Aber man muss auch den Verstand benützen, die Unterscheidungskraft besitzen, eine Auslese, eine Auswahl treffen und wissen, wen man lieben und wie man lieben soll und wie man seine Liebe vergeistigt und sublimiert. Warum? Um an dieser Liebe zu arbeiten. »Und was ist mit dem Vergnügen?« Das Vergnügen wird ersetzt durch die Arbeit.

Ich höre schon einige sagen: »Aber Meister, was Sie uns da erzählen, ist doch unmöglich zu verwirklichen. Alle sagen: Klarheit tötet das Vergnügen. Je wacher das Denken ist, desto geringer ist das Vergnügen.« In Wirklichkeit wurde das Denken dem Menschen gegeben, um besser die wahre Liebe leben zu können. Ohne das Denken würde der tierische, primitive Teil seine ganze Macht über den Menschen ausdehnen. Gerade das Denken, beziehungsweise die Intelligenz, die sich im Denken äußert, muss die Energien kontrollieren, lenken, sublimieren. Sicher, der Großteil der Menschen findet seine Freude in den Vulkanausbrüchen der Liebe. Sie wissen nicht, dass dies auch am zerstörerischsten und am kostspieligsten ist, denn in dem Moment verbrauchen sie in ihrem Inneren die kostbarsten Materialien: Ihre Ideen, ihre Pläne, ihre poetischen Inspirationen, all dies wird verbrannt und sie haben nicht mehr den gleichen Elan, die gleiche Begeisterung. Das stellen sie dann später fest. Wenn ihr hingegen in eurer Liebe das klare Denken bewahrt, wenn es auf die Kräfte achtet, sie überwacht, kontrolliert und lenkt, dann empfindet ihr natürlich kein solches Vergnügen wie viele Menschen es sich erwarten, das heißt, kein tierisches, grobes, schwerfälliges Vergnügen ohne Würde, ohne Spiritualität, das im Übrigen unkontrollierbar ist. Aber dank eurer Gedanken könnt ihr eine spirituelle Arbeit ausführen und das Vergnügen wird sich in Freude, in Erstaunen, in Entzücken, in Ekstase verwandeln. Dank des Lichtes! Es ist schade, dass die Menschen nicht so weit gehen wollen, um zu sehen, wie man die Liebe umwandeln kann. Selbst wenn sie sich für den Augenblick getröstet, erleichtert, von einer zu starken Spannung befreit fühlen, sind sie im Laufe einiger Monate oder Jahre glanzlos, schwerfällig, ohne Inspiration. Wer sich hingegen entschließt, diese primitive, wunderbar starke Energie, die eine Gabe Gottes ist, für himmlische Zwecke, für erhabene Ziele zu nutzen, der wird andere Freuden, andere Vergnügungen kosten. Er wird überglücklich sein zu sehen, dass er Entdeckungen über Entdeckungen macht, bis ins Unendliche.

Die meisten Volksmärchen offenbaren das Geheimnis der Sublimierung

In Märchen ist oft die Rede von einem schönen jungen Mädchen, einer Prinzessin, die der Drache in einem Schloss gefangen hält, aus dem ein Ritter sie befreien soll. Mehrere Ritter erscheinen, aber alle werden besiegt, bis ein jüngerer, schönerer und reinerer Ritter als die anderen kommt, dem eine Magierin, die die Natur des Drachens gut kennt, die Mittel gegeben hat, um ihn zu besiegen. Sobald er ihn besiegt, befreit er die Prinzessin und welch süße Küsse geben sie sich! Danach durchqueren beide auf dem Rücken des Feuer speienden Drachen die Welt. Alle Schätze, die da seit Jahrhunderten im Schloss angehäuft liegen, gehören jetzt dem Ritter, diesem schönen Märchenprinzen, der den Sieg auf Grund seiner Kenntnisse und einer außergewöhnlichen Reinheit errungen hat.

In Wirklichkeit haben diese Märchen eine sehr tiefe Bedeutung. Der Drache stellt die Sexualkraft dar. Das Schloss ist der Körper des Menschen. Die Prinzessin ist die Seele, die der Ritter (das Ego des Menschen) befreien muss. Die Waffen, die er verwendet, um den Drachen zu besiegen, das Schwert usw. sind die Mittel, über die er verfügt. Und das sind Willenskraft und Wissen, um diese Kraft zu besiegen und zu nutzen.

Wer die Notwendigkeit nicht sieht, die Sexualkraft zu sublimieren, verschließt sich selbst die Himmelstüren.

Wollt ihr wissen, was euch erwartet, wenn ihr sinnlich ausschweifend lebt? Seht euch den Trinker an, der hässlich und verdummt ist: Ihr werdet genauso werden wie er. »Aber nein, ich kenne Männer, die ständig eine andere Geliebte haben und dennoch lesen, studieren und großartige Arbeit leisten.« Ja, ich weiß, diese Liebe ist vereinbar mit den intellektuellen oder künstlerischen Fähigkeiten der fünften Rasse. Aber wenn es sich darum handelt, die himmlischen Ebenen zu berühren, eine geistige Arbeit auszuführen, da merken sie, dass sie weder die Materialien noch die notwendigen Elemente mehr besitzen, um sich zu erheben und nicht einmal den Wunsch dazu verspüren. Wir sprechen hier diejenigen an, die außergewöhnlich, intelligent, lichtvoll, schön, ausdrucksvoll, stark und einzigartig werden wollen.

Es ist wie bei den Bienen, die sich mit Honig voll stopfen: Sie sind zu schwer und können nicht mehr fliegen. Das Gleiche gilt für die Verliebten, wenn sie ihren Austausch übertreiben: Sie können weiterhin alle möglichen Arbeiten verrichten, aber sie können nicht mehr fliegen, die himmlischen Bereiche sind ihnen verschlossen.

Die Sublimierung rettet den Menschen vor der Zerstörung

Wenn die Leute von der Sexualkraft sprechen, so sagen alle, das sei eine schreckliche Spannung, von der sie sich befreien müssten. Und das war’s dann. Sie befreien sich, erleichtern sich, ohne zu wissen, dass sie etwas sehr Kostbares verlieren, eine Quintessenz, die dumm verbrannt wird, einfach so zum Vergnügen. Ich sage: »Stellt euch vor, ihr seid ein Gebäude mit hundertfünfzig Stockwerken. Dieser Druck ist notwendig, damit das Wasser bis zum obersten Stockwerk des Hauses aufsteigt und die Bewohner oben Wasser haben, trinken und die Blumen gießen können.« Wenn ihr den Druck wegnehmt, wird das Wasser nicht bis dort hinaufsteigen.

Nur das Licht einer Einweihungslehre kann die Menschen auf diesem Abhang aufhalten, den sie da hinabrutschen. Dieses Licht wird ihnen zeigen, dass in den Leidenschaften, den Vergnügungen, den Ausschweifungen all ihre göttlichen Energien aufgezehrt und verschwendet werden. Denn um dieses Feuer zu nähren, das von ihnen Besitz ergreift, sind sie gezwungen, ihm all ihre Energiequellen, all ihre Rohstoffe, alle Möbel des Hauses zur Verfügung zu stellen, bis hin zu Tischen und Stühlen. Das ist ein Flammenmeer, das man mit der Substanz des eigenen Wesens schürt. Es ist nicht möglich, ihm die Sachen des Nachbarn oder die Bäume des Waldes anzubieten. Dieses Feuer nährt sich von euren Reserven, von eurem eigenen Brennstoff, von eurer Quintessenz sozusagen.

Um jeden Tag, so wie die Leute es tun, diese Erregung und diese berauschenden Vulkanausbrüche aushalten zu können, sind sie gezwungen, all ihre Energien und all ihre kostbarsten Quintessenzen zu verbrennen. Jedes Mal verlieren sie, ohne es zu wissen, einen Teil ihrer Intelligenz, ihrer Reinheit, ihrer Kraft, ihrer Schönheit und wenn sie schließlich alles ausgegeben haben, finden sie sich abgestumpft, hässlich, geschwächt und krank wieder.

Wir besitzen alle eine ätherische Struktur, die schon so angelegt ist, dass die Sexualkraft bis zum Gehirn aufsteigen kann.

Als Gott Mann und Frau erschuf, stattete er sie mit einem ganz wunderbaren System von Kanälen und Verzweigungen aus, durch welche die Sexualkraft ihren Weg nach oben finden kann, wenn man weiß, wie man sie lenkt. All diese Einrichtungen sind da, jeder besitzt sie, nur sind sie eingerostet, verstopft, außer Betrieb. Als Gott die Menschen erschuf, gab er ihnen eine so großartige Struktur, dass sie höchst erstaunt sein werden, wenn die Wissenschaftler sie einmal entdecken. Momentan können nur die Hellsichtigen sie sehen, da diese Kanäle fluidischer Natur sind, also viel feinstofflicher als jene des Nervensystems. Und nur die Hellseher können die Bahnen unterscheiden, denen diese Energien folgen. Wie sie – von ganz unten kommend – nach oben fließen, um das Gehirn zu nähren.

Pflanzen können uns den Mechanismus der Sublimierung offenbaren.

Ich kann euch nicht viel zu diesem Thema sagen, denn es handelt sich dabei um eine delikate Angelegenheit, die jeder auf seine Art lösen muss. Ich gebe euch einige Erklärungen und Beispiele dazu, aber ihr müsst selbst herausfinden, was für euch passend ist. Ich nehme vor allem Beispiele aus der Welt der Pflanzen, denn dort sind die Gesetze immer deutlich sichtbar.

Ich habe einmal eine Pflanze gesehen, die frei aufgehängt war. Sie entnahm die Elemente für ihr Überleben der Luft. Sie war nicht gezwungen, ihre Wurzeln in die Erde zu graben. Ich betrachtete sie lange und sie sagte mir: »Da ich es geschafft habe, mein Lieber, in der Luft die Elemente zu finden, die für mich unentbehrlich sind, warum sollte ich mich nun wie meine Kameradinnen in die Erde graben? Ich habe ein Geheimnis entdeckt: Ich nehme alles aus der Luft.« Die Menschen sind wie die Pflanzen. Manche bekommen ihre Vitalität aus der Mutter Erde, andere aus der Luft, dem Bereich des Denkens und wieder andere aus der Sonne, aus Gott, denn Gott ist Liebe.

Ich habe oft das Beispiel vom Weinstock verwendet. Wie kommt es, dass der Kern im Inneren der Weintraube ist? Der Weinstock kennt einen alchimistischen Prozess. Er weiß, wie er die ätherische Form der Kerne, die vom Saft herangebracht wird, bis in die Weintraube transportieren kann. Dann arbeitet er weiter. Er schiebt die Teilchen zusammen, er verdichtet sie. Darauf werden sie gasförmig, dann flüssig, dann fest und es erscheinen die Kerne. Auf diese Weise sind die Kerne im ätherischen Zustand durch die Kapillaren hindurchgewandert und haben sich dann verdichtet. Die größten Geheimnisse liegen vor uns ausgebreitet, seit Tausenden von Jahren, aber man beschäftigt sich nicht mit ihnen. Was ist ein Traubenkern? Genau das sollte man lernen. Der Baum kennt das Geheimnis der Auflösung der Materie und ihrer Verdichtung. Und wenn der Baum ein solches Geheimnis kennt, warum sollte es der Mensch nicht kennen?

Jetzt kann ich euch noch etwas anderes enthüllen. Die Sexualkraft existiert zunächst im ätherischen Zustand, danach im flüssigen und schließlich im festen, wenn sie sich in der Gebärmutter der Frau befindet, um das Kind entstehen zu lassen. Aber der Mensch kann sie wieder zurückführen vom flüssigen Zustand in den gasförmigen, dann in den ätherischen und sie dann bis zum Himmel zurückschicken. Nur wissen die Menschen das nicht, sie ahnen es nicht einmal, also hat der Weinstock die Menschen übertroffen. Wenn ein Baum die Chemie bis zur Vollkommenheit kennt, wieso sollte der Mensch dann nicht dazu fähig sein?

Der Gedanke der Sublimierung ist in der Struktur des Sephirothbaumes enthalten.

Im Sephirothbaum wird die Reinheit durch Jesod, den Bereich der Engel, der Cherubim, die am Leben arbeiten, dargestellt. Deshalb sind in der Darstellung des kosmischen Menschen, Adam Kadmon, die Geschlechtsorgane mit Jesod, der Reinheit, verbunden, denn diese Organe bringen das Leben hervor. Natürlich gehen momentan, vor allem bei den Menschen, die Reinheit und die Geschlechtsorgane nicht wirklich Hand in Hand, aber sie müssen zusammenwirken, damit das Leben geheiligt wird. Die Heiligkeit ist verbunden mit dem richtigen Verständnis der Problematik der Sexualität. Sobald es dem Menschen gelingt, seine sexuellen Energien vollständig zu beherrschen, wird er ein Heiliger. Anders nicht. Man braucht die Heiligkeit nirgendwo anders zu suchen.

Am anderen Ende der mittleren Säule des Sephirothbaumes befindet sich die Sephira Kether, wo der Orden der Seraphim regiert, im Hebräischen »Chajoth ha-Kadosch« genannt, Geschöpfe von solcher Reinheit, von solcher Heiligkeit, dass ihnen aufgetragen wurde, den Herrn zu preisen. Tag und Nacht, so heißt es in der Offenbarung des Johannes, wird der Herr gepriesen durch den Mund der Seraphim, die ununterbrochen wiederholen: »Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Allmächtige, der war, der ist und der sein wird.« Die Heiligkeit, die man immer oben ansiedelt, hängt in Wirklichkeit von unten ab. Kether, die Krone, stellt die höchste Entfaltung, die Sublimierung der Sexualenergie dar. Die Sexualenergie, die der Eingeweihte mit Hilfe der Reinheit sublimieren konnte, das ist Heiligkeit. Sie manifestiert sich oben, über seinem Kopf, durch ein goldenes Licht. Die Heiligkeit bleibt nicht unten, sie steigt auf. Deshalb hat man sie oben angesiedelt, aber sie kommt von unten.

Die Sephiroth stellen die kosmischen Organe dar und Jesod steht also im Universum für die Geschlechtsorgane. Wenn alles an diesem Sephirothbaum, dem Menschen, harmonisch funktioniert, wenn er sich unten mit Hilfe der Reinheit von Jesod gereinigt hat, dann wird die Sexualenergie, die bis zu seinem Kopf hinaufsteigt, bis zu Kether, zu einer Lichtaura. Kether ist nicht der Kopf, sondern die Krone über dem Kopf, die Aura oder der Heiligenschein, dieses Licht der Heiligkeit, das man in den Kirchen über dem Kopf von Propheten, Aposteln und Heiligen strahlen sieht.

Wahre Eingeweihte sind diejenigen, die in sich die Reinheit von Jesod verwirklicht haben. Sie haben dieselben Organe, wie alle anderen Menschen auch, und sie stellen vielleicht dieselbe Materie her, diese Materie ist jedoch sublimiert. Sie steigt auf, um alle ihre spirituellen Zentren oben zu nähren und ergießt sich über sie in Form von Lichtstrahlen.

Dieser Text stammt aus dem Buch »Die neue Religion« von Omraam Mikhael Aivanhov, Kapitel 13: »Die Liebe ist Eins«.